Wir machen gerade
etwas, von dem wir niemals gedacht hätten, dass es passieren könnte. Wir sitzen
in Pristina, der Hauptstadt des Kosovo, im Hostel Oda. Mario schreibt diesen Beitrag und
Claudia informiert sich über unser nächstes Ziel. Es gibt Bier beziehungsweise
Eiskaffee. Wir sind 80er Kinder und 90er Typen. In unserer Kindheit und Jugend
hatten die Worte Belgrad, Kosovo und Pristina nur eine Assoziation: Krieg.
|
Das NEWBORN Monument in Pristina. |
Und wie kommen
wir auf die Idee in den Kosovo zu fahren? Wir sitzen in Belgrad und überlegen
wie es weiter geht. Rumänien soll spannend zum Radeln sein, ist aber ziemlich
groß und nur der Weg an der Donau entlang würde für uns Sinn machen. Der
direkte Weg durch Bulgarien in Richtung Türkei wäre eine weitere Option, aber
irgendwie ist es zu früh für Asien. Wir wollen mehr Balkan. Wir finden eine
gute Route durch Zentralserbien, den Kosovo, bis runter nach Thessaloniki in
Griechenland. Am Tag drauf sitzen wir im Sattel, das neue Ziel vor Augen. Die
Route beginnt wie gewohnt entspannt. Nach rund 30KM werden die Straßen spürbar
schlechter und die Berge beginnen. Weiterhin ist die Region deutlich dünner
besiedelt. So werden Lebensmittelmärkte und Geldautomaten zur Rarität. Am Abend
landen wir in einer größeren Stadt besorgen uns Bargeld und gehen einkaufen.
Einen Schlafplatz finden wir auf der Wiese einer LKW-Spedition. Neben einem
Flugfeld. Auch mal was neues. Der Nachtwächter weckt uns pünktlich zu seinem
Feierabend zum Rakija trinken. Natürlich. In den folgenden Tagen zeigt sich
Serbien von seiner schönsten Seite. Zwar bleibt der Bodenbelag miserabel, aber
die Aussichten, Abfahrten und vor allem die herzlichen Menschen entschädigen
für alle Mühen bei 38°C. Wir bekommen mehrfach Himbeeren geschenkt, werden von
der Straße zu Leuten nach Hause gelotst um einen Kaffee zu trinken und abends
von Anglern zum Bier eingeladen. Was die Himbeeren angeht: in Serbien ist
gerade Erntezeit und ein Großteil der Landleute lebt vom Verkauf der Beeren.
Nach unserer Nacht bei den Anglern geht es langsamer weiter. Sommergrippe lässt
grüßen. Aber wir haben ja Zeit.
|
Lilly und wir. Eine von vielen herzlichen Begegnungen |
Wir halten im
nächsten Ort bei einer Apotheke. In der Apotheke selbst werden wir von einem
Serben angesprochen. Er spricht Deutsch und hilft uns bei der Übersetzung. Im
Anschluss bezahlt er unsere Rechnung und wehrt sich mit Händen und Füßen als
wir ihm das Geld wiedergeben wollen. Er möchte uns zu sich nach Hause einladen.
Er sagt wir sollen einfach seinem Auto folgen. Sein Haus ist keine zwei Minuten
entfernt. Dort gibt es Kaffee und kalten Saft. Wir folgen ihm. Bei sich zu
Hause ist das volle Programm los. Neben ihm und seiner Frau sind seine Zwei
Töchter, sein Sohn und Enkel daheim. Wir trinken Kaffee und unterhalten uns.
Dabei stellt sich heraus, das er über 10 Jahre in Siegburg gelebt hat, während
in Serbien Krieg tobte. Die Deutschen seien immer sehr gut zu ihm gewesen und
er möchte gerne etwas zurückgeben. Als seine Tochter erfährt, dass wir in einem
Zelt schlafen werden wir noch zum Duschen eingeladen. Zu guter Letzt bekommen wir
Rakija, Kekse und Schokolade als Wegzehrung. Als wir wieder auf unserem Rad
sitzen, vorstehen wir die Welt nicht mehr.
|
Die komplette Familie, die so herzlich aufgenommen hat |
Am Abend kommen
wir ein paar Kilometer vor der Grenze zum Kosovo zum stehen. In einem kleinen
Dorf fragen wir nach Wasser und ob es jemanden stören würde, wenn wir nahe dem
Dorf zelten. Natürlich stört es keinen. Ist aber auch nicht weiter wichtig. Wir
sitzen bereits in dem Garten der Familie. Vor uns stehen Kaffeetassen und als
der Großvater dazu kommt, wird schnell klar, dass wir unser Zelt auf ihrem Grundstück
aufbauen sollen. Die Großmutter der Familie lädt uns zum Abendbrot ein.
Kohlsuppe, selbstgebackenes Brot, frische Eier und noch vieles mehr. Wir
verbringen den kompletten Abend mit der Familie. Alle Familienmitglieder
behandeln uns, als wären wir seit Jahren eng befreundet. Am morgen danach
dürfen wir nicht ohne Frühstück weiterziehen.
Der Weg nach
Pristina vergeht wie im Flug. Wir bemerken kaum, dass sich Kosovaren mindestens
genauso freuen uns zu sehen, wie die Serben. Viele hupen und winken
freundlich. Später, in Pristina, gehen wir mit einem Schweden essen. Er ist balkanerfahren
und bestätigt nochmals „people here are
cool“. Wir brauchen auf jeden Fall noch ein wenig Zeit, um das Erlebte zu verarbeiten.