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Türkei - ein kleiner Zwischenbericht

Wir sind mittlerweile seit gut zwei Wochen hier und haben 10 Tage auf unseren Rädern verbracht. Das sind bereits jetzt mehr Radtage, als Aufenthaltstage in anderen Ländern. Dabei hat uns das Land ein einzigartiges Gefühl vermittelt, nämlich das der extremen Gegensätze.

Alles beginnt mit unserer Ausfahrt aus Istanbul. Um dem dichten Stadtverkehr zu entgehen nehmen wir die Fähre nach Yalova, einer kleinen Stadt im asiatischen Teil der Türkei. Damit sind wir auch endgültig in Asien. Von dort aus geht es weiter, immer der D100 entlang in Richtung Osten.
Abschiedsfoto mit der Hostelcrew vom Second Home in Istanbul
Die D100 ist „die Straße“ in der gesamten Türkei. Sie führt von West nach Ost und verbindet das europäische, mit asiatischen Ende der Türkei. Auf ihr sind wir bereits, wie so viele andere Radler auch, nach Istanbul eingefahren. Auf ihr wollen wir, wie so viele andere Radler auch, weiter in Richtung Iran. Das die D100 von so vielen Radreisenden genutzt wird hat einen Grund. Es gibt keine Alternative. Eventuell noch die Route entlang der Küste (Istanbul-Samsun). Diese ist aber ein einziges Auf-und-Ab. Nach 2/3 auf der D100 entscheidet man sich, ob man hoch an die Küste fährt oder weiter im Landesinneren radelt. Erste Option (unsere Wahl) ermöglicht die Durchreise durch Georgien und Armenien, während die zweite Option direkt in den Iran führt.
Die D100, so wie sie immer aussieht
Wir starten also in Yalova und befahren die Straße, die uns noch mindestens 800KM begleiten soll. Wir radeln und radeln. Immer der Straße entlang. Immer Autos und LKWs neben uns. Jedes siebte Fahrzeug (arithmetisches Mittel) hubt und der Fahrer winkt uns zu. Es reiht sich Stadt an Stadt und keinerlei Aussicht auf einen Campingplatz. Wir erinnern uns an einen der Tipps von Çetin: Tankstellen. Sie sind sicher, haben 24h geöffnet und erlauben oft das Zelten hinter den Gebäuden. Wir steuern die nächst-beste Tankstelle an und fragen nach. Kein Problem, wir dürfen unser Zelt aufstellen. Sogar duschen können wir. Woran natürlich keiner gedacht hat: Wir sind immer noch neben der D100 und die ist zu jeder Tageszeit stark befahren. Die Nacht ist laut und unruhig und nach vier Stunden Schlaf geht das Spiel von vorne los. Ab auf die D100, 100KM fahren, Schlafplatz suchen. Und wieder reiht sich Stadt an Stadt, kein Platz zum Wildcampen. Aber auch keine Lust auf Tankstelle. Wir ziehen die Notbremse und nehmen uns ein Hotel. Der nächste Tag verläuft genauso. Mit zwei wichtigen unterschieden. Wir finden genügend Frischwasser an Brunnen und einen ruhigen Schlafplatz in der Wildnis.
Wir werden mal wieder zum Çay eingeladen. Die zwei haben immer eine 5L Thermoskanne in ihrem Auto. Danke.
Dieses Spielchen geht so immer weiter. Entweder es findet sich kein Schlafplatz oder man zeltet in der totalen Idylle ohne ein Anzeichen von Besiedelung. Entweder es sind alle paar Meter Brunnen auf der Strecke oder man muss an der nächsten Tankstelle Wasser kaufen, wenn denn eine kommt. Entweder man wird bei der Frage nach einem Zeltplatz von den Dorfbewohnern mit einem klaren „nein“ abgewiesen, oder man erhält den Geheimtipp und noch Tee oben drauf. Die Landschaft wird immer schöner und man radelt durch immer höhere Gebirge. Aber immer auf der D100 - unzählige Autos neben sich. Dazu kommt noch ein Erlebnis, auf das wir gerne verzichtet hätten. Wir stehen an einem Rastplatz und füllen unsere Flaschen mit Wasser. Dabei werden wir von einem jungen Bauern angesprochen. Er fragt ob wir was brauchen. Er spricht kein Englisch und wir erklären ihm mit unserem tollen Bilderbuch, das wir einen Zeltplatz suchen. Er gibt uns zu verstehen, dass wir seinem Trecker folgen sollen. Gesagt getan und so stehen wir 500m von der D100 entfernt auf einem Feld. Dort ist bereits ein Zelt aufgebaut. Die Notunterkunft von dem Bauern Kamil. Er bietet uns an, dass wir auch sein Zelt nutzen können, wenn wir wollen. Während wir gemeinsam kochen, wird Kamil immer aufdringlicher, stellt private fragen und fragt schlussendlich ob wir endlich Sex haben wollen. Wir sitzen sofort auf unseren Rädern und sind fünf Minuten Später im nächsten Hotel. Heute Nacht geht unser Bus nach Trabzon. Das erspart uns über 500KM die Suche nach Wasser und Zeltplätzen. Weiterhin hält es uns von der D100 und anderen Verrückten fern. In Trabzon wollen wir dann unser Iran Visum abholen und düsen von dort noch 150KM durch die Türkei, bis wir dann in Georgien sind.
Immer noch die D100. Die Berge werden höher. Der Rest bleibt gleich.
Gerade sind wir in Osmancık bei einem Warmshower Host, Ramazan. Ramazan hat gefühlt so ziemlich jeden Radler beherbergt, der jemals durch die Türkei in Richtung Iran gefahren ist. Seine Tür steht jedem offen. Er hat fast jeden Abend Gäste, die er mit zu seiner Familie zum Abendessen nimmt. So auch uns. Das Erlebnis stimmt uns wieder positiv.
Ramazan und wir bei unserer Ankunft in Osmancık